Das sollte Frau und Mann                         gelesen haben.                                                    



Wie ich eine Tantramassage mit Mario erlebte, bei einem Tantratag

 

Ich bin eine Frau, Mitte Vierzig, seit langem alleinerziehend, habe meine Eltern gepflegt und in den Tod begleitet und erwachte letzten Sommer mit dem Gefühl: Wenn du jetzt tot wärst, was würdest du bedauern, nicht getan zu haben. Ich schrieb einen Zettel mit Dingen, die ich, noch einmal in meinem Leben getan haben wollte. Einen Tanzkurs besuchen, selbstvergessen zuhause für mich tanzen, eine neue Fremdsprache lernen, das Klavier nicht mehr stimmen lassen, weil ich es schon immer hasste. Unter einer beträchtlichen Anzahl von Dingen, tauchte auch der Gedanke auf: „Mit einem Mann Sex haben.“

Wie fängt das eine Frau mit Mitte Vierzig an, wenn sie weder sehr gern ausgeht, im Internet immer nur auf Typen trifft, die sich bei ihr ausweinen, ihr erzählen, wie intelligent, humorvoll und warmherzig sie sei, jedoch mit Hinweis auf Körbchengröße doch dankend ablehnen und wenn diese Frau auf Arbeit ausschließlich von Kindern und ihren Müttern umgeben ist.

Erste Variante – man könnte auf diverse Anzeigen von eindeutig nach Zweitfrau Ausschau haltenden Männern schreiben. Das Bauchgefühl übergab sich gleich und selbst der Kopf meinte: „Wenn dir der Mann gefällt, wirst du dich verlieben, mehr als Sex wollen und leiden. Und wenn dir der Mann nicht gefällt, dann willst du auch keinen Sex mit ihm.“

Zweite Variante – man könnte als emanzipierte Frau ähnliche Dienste wie Männer in Anspruch nehmen, aber ehrlich: Frauen sind anspruchsvoller.

 

Irgendwann tauchte in mir das Bild auf, dass ich nach langer männerabstinenter Zeit einfach mal männliche Berührung wollte, egal ob nun mit Sex oder ohne. Wenn man lange keinen Sport macht, ist man auch eingerostet und wenn man lange keinen Mann hatte, ist sowohl das Flirtverhalten als auch alles andere ähnlich verkümmert.

Meiner Freundin, dir mir ihr Leid mit ihrem Mann klagt, klagte ich mein Leid ohne Mann und meine Bedenken in Bezug auf Affäre und One-Night-Stand und Escortservices.

Eigentlich wollte ich nur männliche Haut auf meiner spüren, männliche Berührungen und mir war klar, die gibt es nicht ohne Sex. Völlig unerwartet meinte meine Freundin: „Ich habe da eine Bekannte, die war mal bei einem Mann, der Tantra macht. Sie fand es großartig.“ Tantra. War das nicht dieser andere Name für Leute die wild und ohne nach Namen zu fragen mit jedem? Als ich nach Hause kam, suchte ich ein Buch in der hintersten Ecke meines Bücherregales, dass ich mir vor 20 Jahren kaufte. Über Tantra. Ich kaufte mir noch eine DVD und las jede Menge Infos im Internet. Mein Bauchgefühl schnurrte: „Du willst ja eigentlich gar keinen Sex mit einem Mann, den du nicht liebst, du willst endlich mal wieder Zärtlichkeit und Sinnlichkeit. Meine Recherchen brachten mich zu der Erkenntnis, dass Tantra ein weites Feld ist und die Anbieter desselbigen ebenso weit entfernte Vorstellungen davon hatte, was Tantra ist und wie sie es an den Mann oder in meinem Fall an die Frau bringen.

Die meisten Anbieter fanden sich weit weg. Bei dem Gedanken, eine stundenlange Anfahrt in Kauf zu nehmen, vor irgendeinem Mann zu stehen, den ich noch nie sah und noch nie sprach, mich auszuziehen und irgendetwas nicht näher Definiertes auf mich zukommen zu sehen, nach spätestens zwei Stunden recht eindeutig zum Gehen aufgefordert zu werden, um dann eine ebenso stundenlange Rückreise auf sich zu nehmen – nein, das konnte sich mein Bauchgefühl wirklich nicht vorstellen. So vergingen wieder Wochen.

 

Eines Tages landete in meinem Email-Postfach die Telefonnummer des von der Bekannten meiner Freundin empfohlenen Mannes. Ich war völlig perplex, denn die Rufnummer kam aus der Nähe. Weitere Wochen vergingen, bis ich mich endlich traute, den Mann anzurufen. Er klang sehr sympathisch und wir kamen ins Gespräch, was über eineinhalb Stunden dauerte. Ich spürte, dass er nicht nur einen Termin ausmachen wollte, sondern dass er bei dem Telefonat sich schon Zeit nahm. Ich entkrampfte mich und wir sprachen über Themen, die ich mit meinen Beziehungen erst nach längerer Zeit oder gar nicht ansprach. Wir vereinbarten einen Termin. Einige Tage nach dem ersten Gespräch rief mich Mario nochmals von sich aus an und fragte, ob mir noch etwas eingefallen sei, was er wissen müsse, welches Öl ich vertragen würde, wie warm ich das Zimmer wolle, ob ich Räucherstäbchen möge. Wieder sprachen wir über eine Stunde und er hatte immer noch nicht gefragt, wie ich ihm das vergüte. Ich fühlte mich wirklich wohl und freute mich auf den Termin mit ihm. Drei Tage vorher tauchte in mir eine große Unruhe auf. Je näher der Termin rückte, umso stärker kam Angst auf und die Vorfreude auf einen sinnlichen Termin verabschiedete sich immer mehr. Ich schrieb ihm eine Mail, die er mit sehr lieben Worten beantwortete. Inhaltszusammenfassung: Du bist ok wie du bist. Welcher Mann hat mir dieses Gefühl das letzte Mal gegeben? Ich googelte Mario im Internet und war fast erleichtert, dass er gar nicht dem entsprach, was man so landläufig als Frauentyp bezeichnet. Er hatte liebe Augen und das gefiel mir. Es gefiel mir, dass er kein Adonis war, denn das hätte mich noch mehr unter Druck gesetzt. Von der Dauerpräsens von Schönheitsidealen habe ich eh die Nase voll. Sie bestimmen unser Leben, statt dass wir unser Leben bestimmen.

 

An dem Tag, als wir uns trafen, fuhr ich schon sehr aufgewühlt zu ihm und konnte meiner Aufregung, bald nackt vor einem Mann, mit dem mich nicht Liebe verband, nur damit Herrin werden, dass ich daran dachte, dass ich auch vor meinem Physiotherapeuten und Ärzten schon nackt stand.

Mario öffnete die Tür und half mir mit seiner völligen ungezwungenen Art, die wirklich etwas von einem Physiotherapeuten hatte, nicht so aufgeregt zu sein. Wir erzählten ein bisschen miteinander, zwischendurch legte er immer Holz nach, damit es warm im Zimmer blieb. Dann gingen wir ins Bad, um mit der Massage dem Reinigungsritual zu beginnen. Das konnte ich nicht wirklich genießen, dafür war es viel zu neu und viel zu fremd.

 

Trotzdem fühlte es sich auch gut an, als nähme das warme Wasser meine Ängste und Befürchtungen mit in den Abfluss. Wenn ich an meine Beziehungen denke oder an Gespräche mit Freundinnen oder Männern – kein einziger hatte das erlebt.

Wir gingen in das beheizte Zimmer. Es wirkte sehr freundlich, sehr warm, auch im übertragenen Sinn. Während der ganzen Zeit wirkte Mario weder anzüglich, noch irgendwie unangenehm. Er bat mich, mich vor ihn zu setzen, so dass ich mit dem Rücken an ihm lehnte. Er wiegte mich sacht und ehrlich: allein das hätte stundenlang so gehen können. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen. Wann hatte ich mich das letzte Mal an einen Mann angelehnt? War es vor 15 Jahren in einer Körpertherapie? An meine langjährigen Beziehung jedenfalls nicht.

Dann legte ich mich auf den Bauch und Mario streichelte (er nannte es Massage) meinen Rücken mit den verschiedensten Utensilien wie Federn, Plüschhandschuh, Muschel etc. Schließlich verrieb er sehr warmes Öl auf meinem Körper und berührte sowohl mit den Utensilien als auch mit dem Öl jeden Zentimeter meines Körpers. Er ließ sich dabei so viel Zeit, war sanft und beherrschte das Spiel „Drumherum“ sehr gut.

Ersehnt sich nicht jede Frau einen Mann, der absichtlos sich nur für sie Zeit nimmt, sie wirklich lange –und damit meine ich nicht maximal zehn Minuten, sondern stundenlang- streichelt?

Ich spürte wie meine Aufregung sich legte, in ein wohliges Schweregefühl und ein völliges im Augenblick-Sein überging. Ich spürte Genuss an der Berührung. Schließlich wich dieses völlig entspannte Gefühl der Erregung. Zwischendurch war es zeitgleich alles: Entspannung, Schwere, sich Fallenlassen, Achtsamkeit, Lust und manchmal das Spüren von seelischem Schmerz, wenn durch irgendeine Berührung oder Geste eine Erinnerung getriggert wurde. Ich lag meist mit geschlossenen Augen und fand es fast väterlich, wenn mich Mario immer mal wieder erinnerte, gut zu atmen, damit all die Energien gut fließen konnten.

 

Ich hatte in meinen Gedanken vor dem Termin das Gefühl, ich könnte es nicht ertragen, wenn mich ein Mann so berührt, dass er dann nicht in mich eindringt. Ich konnte mir das nicht vorstellen, denn ich kannte nur, dass ein Mann, wenn schon mal eine gefühlsbeladene entspannte, nackte Frau vor ihm lag, sich diese Chance auf keinen Fall entgehen ließe.

Jetzt aber, in der Situation, empfand ich die Absichtslosigkeit, das Wissen, dass kein Sex passieren wird, als sehr angenehm. Ich hatte früher auch Lust auf und an Männern, aber jetzt spürte ich das allererste Mal, wie sich meine Yoni in Zeitlupe öffnete, ausbreitete und fast zerfloss. Bis zu diesem Punkt hatte sie sich noch nie so stark geöffnet. Ich hatte zum ersten Mal ein zärtliches Gefühl für mein eigenes Geschlecht, so wie man absichtslos und die Schönheit bestaunend irgendetwas in der Natur betrachten kann und es zum ersten Mal sieht, wie man es noch nie sah. Das war einer der am mich bewegendsten Augenblicke an diesem Tag und das, was ich noch Tage danach als Licht in mir trage.

Irgendwann machten wir eine Pause. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren und war doch erstaunt, dass über zwei Stunden vergangen waren. Mario fragte immer wieder leise nach, wie es mir ginge und das war sehr angenehm. Er beobachtete meinen Puls am Hals. Ich hatte einfach das Gefühl, in wortwörtlich guten Händen zu sein.

Wir tranken Wasser, denn bei 32° Zimmertemperatur kühlt man zwar nicht aus, wenn man mehrere Stunden nackt liegt, aber man bekommt auch Durst. Vor allem Mario, der sich ja körperlich betätigte.

Danach legte ich mich auf den Rücken und wieder war da erst einmal ein gewisser Moment von Aufregung, nackt so ausgebreitet vor einem nackten Mann zu liegen. Es tat mir gut, dass er währenddessen nicht gefühlsbeladen war, denn sonst wäre ich meinem Reflex gefolgt, dem Mann für so viel Zärtlichkeit sofort Sex anzubieten. Es war so angenehm, dass er sich ausschließlich um mich kümmerte. Ehrlich: ich kenne keine einzige Frau, mit der ich je sprach, die sich nicht wünschte, stundenlang berührt zu werden. Nichts gegen Quickies, die auch mal schön sein können. Aber wenn der Körper immer hungrig bleibt oder eben nur das angeboten bekommt, was er vordergründig und in erster Linie gar nicht will, dann bleibt ein Sehnen nach Mehr. Nach mehr Gefühl, mehr Zärtlichkeit, mehr Zeit, mehr Warten, mehr Bewusstheit, mehr Achtsamkeit und weniger Benutzt werden, denn oftmals hat das sexuelle Beisammensein zwischen Mann und Frau nach meinen Erfahrungen und denen meiner Freundinnen mehr mit dem Benutzen des anderen zum Zweck der Lusterfüllung zutun, mit Selbstbefriedigung zu zweit oder Selbstbefriedigung auf Kosten des anderen. Nichts gegen das Gefühl, sich ab und zu dem anderen zu schenken, weil er das jetzt gerade so braucht. Aber irgendwie sollte die Langzeitbilanz ausgeglichen sein.

So lag ich also auf dem Rücken und zuerst hatte ich noch eine Decke auf mir, die mir Mario langsam, im Zeitlupentempo vom Körper zog. Die Decke hatte Fransen und es fühlte sich wie leiser Nieselregen auf meiner Haut an. Ich hätte diesen Nieselregen stundenlang genießen können. Danach streichelte er mich wieder mit diversen Handschuhen, Federn. Ich war so gefühlsbeladen, dass ich mich wahnsinnig darauf freute, wenn er Öl auf meinen Körper gießen würde und schließlich meine Yoni massieren würde. Ich fand es wunderbar, dass ich während der ganzen Zeit kein einziges Mal das Gefühl hatte, er mache schnell, er wolle, dass er bald mit der Massage fertig ist, damit ich gehen würde. Während der ganzen Zeit half mir Mario mit seiner ganz normalen, gar nicht anzüglichen, Art, nicht in alte Muster zu verfallen und so konnte ich mich auch gut fallen lassen. Ich fand es wunderbar seine Finger zu spüren. Irgendwann jedoch tauchten Schmerzen auf. Er meinte, ich solle gut atmen, in den Schmerz atmen. Die Yonimassage war für mich nicht ganz so schön wie erwartet, wobei das nicht an Mario lag. Ich hatte nicht erwartet, dass Schmerzen kommen könnten. Ich dachte daran, dass Tantra irgendwie eine sehr intensive Form der Körpertherapie ist, dass es nicht nur um Sinnlichkeit geht, sondern um die Annahme all dessen, was kommt. Ich merkte, wie ich mir von vielem, was ich mit Mario telefonisch besprochen hatte, ein Bild gemacht hatte und dieses Bild dann doch nicht eintraf oder eben ganz anders war, als ich vorher dachte. Nach und nach wurden die Schmerzen weniger und es überrollten mich Wogen von Lust und Schmerz, deren prozentuales Verhältnis jeweils wechselte. Zwischendurch sagte ich Mario, dass er aufhören solle und sich neben mich legen und mich in den Arm nehmen. Er tat es sofort, was mir gut tat. Es war die ganze Zeit schön, dass er nichts machte, was ich nicht wollte, dass er mich nicht zu überreden versuchte und das einfach akzeptierte.

Schließlich merkte auch ich die Erschöpfung. Mario legte sich neben mich und streichelte meinen Bauch. Wir kuschelten ein bisschen aneinander und redeten. Nach einer weiteren halben Stunde beendeten wir das Ritual. Ich fühlte mich wie eine Ölsardine und auf eine sehr angenehme Weise erschöpft und trotzdem von innen leuchtend. Ich klopfte mir innerlich auf die Schulter, dass ich den Mut hatte, mich auf diese Erfahrung einzulassen.

Selbst jetzt, wo sechs Stunden vergangen waren, machte Mario keine Anstalten, mich schnellstmöglich aus dem Haus zu haben. Er fragte, ob ich noch was trinken, essen oder duschen wolle. Ich zog mich an und aß etwas, denn plötzlich hatte ich großen Hunger. Es war 18 Uhr und ich hatte 9 Uhr morgens gefrühstückt. Mir fiel dieses „Von Luft und Liebe leben“ ein. Wir unterhielten uns noch fast eine Stunde, Mario räumte auf und wir rollten die Matratze gemeinsam zusammen. Ich verabschiedete mich von ihm und fuhr zutiefst berührt (im wörtlichen Sinne) nach Hause. Ich war in so einem Hochgefühl, dass ich dachte, das bliebe für Tage.

In den nächsten Tagen kamen jedoch sehr viele alte Erinnerungen an Verletzungen hauptsächlich von Männern hoch. Es war, als hätte mich die Tantramassage ganz durchlässig gemacht für Empfindungen, die ich teilweise Jahrzehnte wegdrückte. Ich weinte und auch das passte nicht in mein Bild, dass es mir bei Mario doch so gut gegangen war. Er hatte mir schon beim Verabschieden gesagt, ich könne mich bei ihm melden, wenn es etwas zum Nachbesprechen gäbe. Aber ich hatte Scheu. Bei 2 Stunden Vorgesprächen, 6 Stunden aktiver Streichelarbeit, einer Stunde danach beieinander sein und jetzt noch telefonischer Nachbetreuung machte ich mir ernstlich Sorgen um Marios Finanzbilanz. Drei Tage nach dem Termin bei ihm ging es mir emotional wegen der vielen Flushbacks nicht gut. Da kam eine Mail, in der Mario nachfragte, wie es mir ginge, ob noch was an Emotionen hochgekommen sei. Ich fand das unglaublich lieb, dass er nicht sagt: „Meine Arbeit ist getan. Was geht mich jetzt noch an, wie es der Frau geht.“ Er hat mir auch danach in einem Gespräch noch sehr geholfen. Insgesamt war es eine unglaublich reiche Erfahrung, die ich nicht missen möchte und ich danke dem Schicksal, dass ich an Mario geraten bin, der meiner Seele gut tat.